Manchmal gibt es Erlebnisse, die unser gesamtes Leben verändern. Momente, die unser Leben in eine bestimmte, oft andere Richtung lenken. Erlebnisse, bei denen wir spüren, dass sie Bedeutung für unser ganzes Leben haben werden. Oftmals ist uns das in dem Moment gar nicht bewusst, erst im Rückblick erkennen wir wie bedeutend dieses eine Erlebnis für unsere ganz individuelle Lebensgeschichte war.

Ich mag es, mir manchmal die Zeit zu nehmen und auf mein bisheriges Leben zurückzuschauen und mich zu fragen: was waren meine Schlüsselerlebnisse? Welche Erlebnisse haben mein Leben so sehr geprägt, dass sie meine Realität die ich heute lebe, mitbestimmt haben?

Wie Italien mein Kinderherz berührte

Mein erstes starkes Schlüsselerlebnis, an das ich mich bewusst erinnern kann, hatte ich mit 13. Unser Italienurlaub. Meine Eltern sind mit meinem Bruder und mir mit dem Wohnwagen nach Italien gefahren: 3 Wochen lang über die Alpen in die Toskana bis nach Neapel und wieder zurück.

Diese Reise war für mich ein riesengroßes Abenteuer – und ein Erwachen, dessen Bedeutung für mein Leben mir damals als Kind natürlich überhaupt nicht bewusst war. Ich liebte es aus dem Autofenster zu schauen und die vorbeifliegende Landschaft zu beobachten, die sich ständig veränderte und so ganz anders war als zuhause in Deutschland. Ich liebte das Gefühl auf den Campingplätzen, die Sonne und die Wärme und ich war fasziniert von den Menschen: sie lachten so viel, sie hatten ein Strahlen in den Augen, sie scherzten andauernd miteinander, riefen sich über die Straße zu, zwinkerten, grinsten, flirteten …sie schienen Spaß zu haben, sie erschienen mir glücklicher und lebensfroher als die Menschen in Deutschland. Als 13-jähriges Kind habe ich das erste Mal in meinem Leben beobachtet, dass Leben anders sein kann als das was ich aus meinem Kinder-Alltag in Deutschland kannte. Und ich war fasziniert! Ich spürte Freiheit, ich was neugierig auf dieses Land und die Menschen dort, ich wollte alles entdecken und fühlte mich so lebendig!! Ich hatte zum allerersten Mal eine Ahnung davon, dass meine Realität nicht die Realität aller sein muss. Dass es da Menschen gibt, die so ganz anders leben als ich und dass mir das vielleicht sogar besser gefällt.

Mein Versprechen an mich selbst

Nach dem Italienurlaub hab ich angefangen mir selbst Italienisch beizubringen …und ich hab mir auf einen kleinen Zettel ein Versprechen geschrieben: Hiermit verspreche ich mir selbst, dass ich das Gefühl, das ich in Italien hatte niemals vergessen werde. Ich verspreche mir, dass ich glücklich sein werde, wie in Italien. Wenn ich erwachsen bin, werde ich nach Italien auswandern und immer wenn ich es vergesse oder mich nicht traue, kann ich dieses Versprechen lesen. Ich verspreche mir, dass ich meinen Traum leben werde. Den Zettel hab ich zusammengerollt und mit Tesa zugeklebt – ich hab ihn heute noch.

Von der Weltenbummlerin zur Reise ins Innere

Nach Italien bin ich (noch) nicht ausgewandert (vielleicht sollte ich mal wieder dort Urlaub machen!?!), aber nach diesem Urlaub war mein Fernweh und meine Neugierde für das Ausland und die Fremde geweckt. Und das hat mein ganzes weiteres Leben bestimmt: mein Kinderzimmer war voll mit Flaggen, Muscheln und Sand aus anderen Ländern, ich habe abends im Bett den Weltatlas „gelesen“ und vom Reisen geträumt, ich hab später im Ausland studiert und gelebt, habe im Tourismus gearbeitet, bin mit dem Rucksack durch exotische Länder gereist und habe die Naturschönheiten dieser Welt bewundert. Ich habe Minimalismus lieben gelernt, hab unendliche Freiheit in mir gespürt, habe mich von anderen Kulturen und Lebensweisen inspirieren lassen, habe Armut und Kriminalität gesehen und selbst erlebt und habe bei Menschen in Wohnzimmern übernachtet, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Ich habe gelernt anderen (und mir selbst!) zu vertrauen, habe gelernt für mich einzustehen, wann immer es nötig war. Ich habe mich auf Reisen verloren und wieder gefunden, nicht nur einmal. Ich habe mich gespürt, ich habe mich lebendig gefühlt. Ich konnte die Welt umarmen und das Gefühl haben, dass wirklich nichts unmöglich ist …und ich habe Demut gelernt und Dankbarkeit – und dass wir alle gleich sind auch wenn wir so verschieden sind.

Wie möchte ich leben?

Und: ich habe immer mal wieder diesen Zettel aufgerollt. Mein Versprechen, das mich daran erinnert, meine Träume und Ziele herauszufinden und sie zu leben. Das mich daran erinnert, wie Leben sich anfühlen darf: frei, unbeschwert, lebensfroh – wie damals mit 13 in Italien. Dass es nicht nur darum geht, zu funktionieren …und am Wochenende mal kurz zu leben, um dann wieder besser zu funktionieren. …und wir dabei manchmal vergessen, Spaß zu haben und zu LEBEN (also nicht nur an besagten Wochenenden) und uns immer mal wieder die Frage zu stellen:

Was macht mich – wirklich – glücklich?

…und nicht meine Eltern, meine Freunde, die Gesellschaft, das Land in dem ich lebe, die Rolle die ich vielleicht angenommen habe, meine Ausreden, die Routine oder die Teile in mir die Angst vor Veränderung haben. Wie will ich leben? Was macht mich glücklich? Und: was macht mich heute glücklich? …wie ich für mich festgestellt habe, ändern sich viele meiner Bedürfnisse alle paar Jahre. Nach einigen Jahren Freiheit und Ausprobieren in Lateinamerika hatte ich das Bedürfnis nach beruflicher Weiterentwicklung und Sicherheit. Und als ich das für ein paar Jahre ausgelebt habe, hatte ich wieder Sehnsucht nach mehr Freiheit und Abenteuer. Nach ein paar Jahren Nomadenleben mit keinem festen Wohnsitz, hatte ich vor etwa 1 Jahr plötzlich den tiefen Wunsch nach einem Zuhause, nach einer Basis, nach einem Ort an dem ich meine Bücher aufstellen kann.

Diese Bedürfnisse sind sicher für jeden anders, wir haben alle unser ganz eigenes Lebenskonzept und Aufgaben, die wir während unserer Zeit hier annehmen. Vielleicht hat uns etwas vor ein paar Jahren glücklich gemacht, doch unser Herz und unsere Seele sehnen sich jetzt nach etwas anderem? Vielleicht hatten wir noch nicht den Mut die äußeren Umstände upzudaten, so dass sie wieder besser zu unserem Seelenplan passen?

Und vielleicht hatten wir als Kind, Jugendliche oder junge Erwachsene Träume und Ideen für unser Leben, die in der getakteten Routine unserer schnell-lebigen Zeit und unter den Ereignissen des Lebens vergraben wurden? Die wir verdrängt haben, die wir uns ausgeredet haben …und als „nicht so wichtig“ abgestempelt haben, damit der Schmerz des Nicht-Erfüllens nicht ganz so groß ist? 

Welche dieser Träume stecken noch immer in uns? Welche dieser Träume wollen von uns gesehen werden? Für welche dieser Träume  finden wir den Mut, sie an die Oberfläche kommen zu lassen, ihnen zuzuhören und den Antworten zu lauschen, die da so kommen? Für manche mag das ein Job sein, der schon lange gewechselt werden will oder eine Reise die schon lange erlebt werden will oder ein Buch das schon so lange geschrieben werden will. Manche wollen vielleicht endlich gesünder essen oder weniger arbeiten oder einen inspirierenden Freundeskreis aufbauen oder endlich den Fotokurs belegen. Und manche möchten vielleicht einfach mehr tanzen.

Wie würde dein Leben ausschauen, wenn du immer genug Mut hättest?

Manchmal habe ich den Mut sofort, manchmal dauert es Monate und auch Jahre bis ich den Mut gesammelt habe, um Träume und Impulse in mein Leben einzuladen, die da ganz tief in mir sitzen und flüstern. Und wer weiss, vielleicht wird es Dinge geben, für die ich nie den Mut haben werde, sie wirklich umzusetzen. Und das ist auch ok. Aber ich will es zumindest immer wieder versuchen! Ich will bewusst hinterfragen, welche Boxen und Rollen des Lebens ich annehmen will und welche nicht, was ich glauben will und was nicht. Ich will mich fragen, wie ich denn wirklich leben will. Ich will meiner inneren Stimme Gehör geben, die oft nur flüstert und leider nicht so laut ist wie mein Verstand, der mit all seinen „Ja, aber“ ganz schön penetrant und machtvoll sein kann 🙂 Ich will meiner Intuition vertrauen, wenn sie mich warnt, wenn sie sich langweilt oder wenn sie Pläne für mich hat, die im Moment noch größer sind als meine Komfortzone. Jeden Tag lerne ich, ihr mehr zuzuhören. Jeden Tag lerne ich, ihr mehr zu vertrauen.

Und belohnt werde ich mit demselben Glücksgefühl, mit derselben Freiheit, mit derselben Lebendigkeit – wie damals mit 13 in Italien.

Und da schließt sich der Kreis von dem einzigen roten Faden, den es in meinem Leben gibt:

Habe den Mut deinem Herzen zu folgen. Habe den Mut deine Träume zu leben.

 

Ich wünsche dir von ganzen Herzen, dass du den Mut aufbringst, deiner inneren Stimme zuzuhören, …auch wenn sie noch so leise flüstert   

Unsere Träume sind unsere Wegweiser.