Die ersten 30 Jahre meines Lebens habe ich mir so gut wie keine Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet eine Frau zu sein. Und was das für mein Leben und für mich bedeutet. Klar, ich habe beobachtet wie sich mein Körper veränderte und dass ich meine Menstruation bekam. Mir war klar, dass ich schwanger werden kann und habe angefangen die Pille zu nehmen, was ich über viele Jahre beibehalten habe.

Und obwohl ich ein Mensch bin, der Dinge immer schon gerne hinterfragt hat, dieses Thema habe ich irgendwie ausgelassen:

  • Was bedeutet es, in unserer Gesellschaft als Mädchen aufzuwachsen?
  • Was bedeutet es, in unserer Gesellschaft eine Frau zu sein?
  • Und was bedeutet es für mein Berufsleben, für meinen Alltag, für meine Sexualität?

Seit ich als Coach mit Frauen arbeite, weiss ich, dass das vielen Frauen ähnlich geht: So viele unter uns gehen durch ihr Leben und machen sich nie Gedanken darüber, was es eigentlich für sie bedeutet als Frau geboren zu sein. Was es bedeutet, unser Leben vielleicht auch anders zu leben als Männer – nicht schlechter, nicht besser, einfach anders.

Was bedeutet es, sich monatlich durch einen Zyklus zu bewegen, der uns jeden einzelnen Tag (!) körperlich, hormonell, emotional, mental, energetisch, sexuell und spirituell beeinflusst? Was bedeutet es, von der Natur vorgesehen, ständig im Wandel und im Fluss zu sein? Was bedeutet es, mit Menarche (Eintreten der ersten Menstruation) , Menopause und möglichen Schwangerschaften mehrmals in unserem Leben durch megagroße körperliche, geistige und spirituelle Transformationen zu navigieren?

Was bedeutet all das für unseren Alltag, unser Leben – und für unsere Sexualität?

Vor etwa 8 Jahren habe ich angefangen mir diese Fragen bewusst zu stellen – und plötzlich tat sich mir eine ganz neue Welt auf. In dieser Welt ging es nicht darum, Opfer zu sein, …auch wenn mir schnell klar wurde, wie viel Benachteiligung und Unsicherheit Frauen auch heute noch erleben. In meiner Welt und Entdeckungsreise ging es mir um etwas viel subtileres: mein FrauSein besser verstehen zu lernen. Mein FrauSein überhaupt erst einmal anzuerkennen. Um dann zu entdecken, welche Veränderungen dieses Anerkennen in mein Leben bringen darf.

Mit eine der größten Veränderung war das Lernen, Verstehen und Ehren meines Zyklus! Durch jahrelange Einnahme der Pille hatte ich die Verbindung zu meinem natürlichen Zyklus und damit auch zu einem Schlüssel meiner Weiblichkeit, komplett abgeschnitten und verloren. Ich begann natürlich zu verhüten, lernte meinen Zyklus kennen und empfand plötzlich eine so große Bewunderung für meinem Frauenkörper. Ich lernte, wie sich meine Temperatur, mein Zervixschleim, die Position und (auch sexuellen) Empfindungen meines Muttermundes von Tag zu Tag veränderten und wie sich das auf meine Gefühle, meinen Körper, mein Liebesleben und meine Energie auswirkte. Sogar unser Gehirn verändert im Laufe eines Zyklus seine Struktur – um bis zu 25%!

Ich begann so viel Liebe für meinen weiblichen Körper und das Wunderwerk in mir zu spüren, dass mir auch heute noch kleine Tränen kommen und mein Herz ganz warm wird, wenn ich diese Zeilen schreibe. Warum lehrt uns das niemand in der Schule?

Ich begann mein neugewonnenes Zykluswissen und meine wiederentdeckte Liebe zu meinem Frauenkörper in mein Leben zu integrieren: ich beobachtete mein Energielevel und Wohlfühl-Gefühl und passte – so gut es ging – meine Lebens-, Liebes- und Arbeitsgewohnheiten daran an. Ich begann während meiner blutenden Tage besonders liebevoll für meinen Körper zu sorgen, ich verwöhnte ihn (oder sie :)) mit besonders energiereicher Nahrung, Aufmerksamkeit und Schutz. Wann immer es möglich war, vermied ich während meiner Periode große, wichtige Projekte und nutzte die energiegeladenen Tage vor dem Eisprung für Kreativität, Umsetzung und Networking. Seit meiner Selbstständigkeit kann ich mein Leben noch freier gestalten, aber auch als Angestellte hatte ich unglaublich viel Freude dabei, meine Freizeit mit Self-Care Ritualen meinen Zyklusphasen anzupassen und die Verbindung zu dieser Ausdrucksweise meiner Weiblichkeit aufzunehmen. Ich spürte eine ganz neue Liebe für mich und hatte das Gefühl, mich nochmal komplett neu kennenzulernen.

Und ich verliebte mich in den Mond.

Ich entdeckte, dass mein Menstruationszyklus synchron mit den Mondphasen verlief und lernte, dass dies vor der Industrialisierung ganz normal war – und bei vielen Naturvölkern heute noch ist. Frauen einer Gemeinschaft bluteten zur gleichen Zeit und ehrten diese Phase mit Entschleunigung, Innenschau und Rückzug in „das rote Zelt“. Dort bluteten sie gemeinsam, tauschten Weisheiten aus und empfingen Einsichten, die später der Gemeinschaft dienten. Sie zelebrierten Schwesternschaft und Austausch unter Frauen. 

Dieser Rückzug der Frauen wurde von der gesamten Gemeinschaft als heilig angesehen und mit Ehrfurcht und Bewunderung gelebt.

Auch heute noch bluten viele Frauen zu Neu- oder Vollmond und der weibliche Zyklus ähnelt den rund 29 Tagen des Mondzyklus.

 

Wie das Verstehen von Yin & Yang unser Leben verändern kann

Monat für Monat sind wir Frauen von Natur aus mit unserem Zyklus verbunden. Wir fühlen uns an manchen Tagen voller Kraft, stark und aktiv und an anderen müde und mit einer tiefen Sehnsucht nach Ruhe, Rückzug und Entschleunigung. Oft finden wir Gemeinsamkeiten zu den Zyklenphasen anderer Frauen und doch darf jede Frau auch ihren eigenen Rhythmus mit ihren ganz individuellen Besonderheiten kennen lernen. Diese unglaubliche Weisheit, die uns die Natur in Form unseres Zyklus bietet, kann unseren Alltag und unser gesamtes Leben verändern. Ein Frauenbonus, den uns die Biologie und Natur geschenkt hat.

In unserem westlichen Leben – egal ob für Mann oder Frau – wird der Tatendrang, das kraftvolle Umsetzen, das Organisieren und Machen, Multitasking und alles unter Kontrolle zu haben, positiv bewertet und oft bevorzugt. Diese Yang-Eigenschaften erleben wir Frauen häufig um unseren Eisprung herum (auch hier wieder der Hinweis nicht zu verallgemeinern und Ausnahmen und Besonderheiten neugierig kennen zu lernen). Doch fordert unsere moderne Lebensweise meist auch fernab der Eisprungtage diese Qualitäten von uns. In unserer Gesellschaft dominiert die Yang-Energie, wir sind süchtig nach Sommer: Tun, Umsetzen, Schnelllebigkeit, Aktiv Sein, im Außen sein, Scheinen. Yang und Sommer sind wundervoll – die Jahreszeit als auch die Metapher. Die Energie und Weisheit aber, die uns unsere blutenden Tage schenkt, wird dabei oft verurteilt, vernachlässigt oder ignoriert. Auch hier wieder, ganz egal ob bei Frau oder Mann: Wir haben keine Zeit, um nicht zu funktionieren. Wir haben keine Zeit für einfach nur Sein, Loslassen und Empfangen. Wir müssen doch weiter organisieren – immer gegen den Feind Zeit, die nie genug zu sein scheint.

Doch wir können dauerhaft nicht immer im Sommer oder Yang sein – Burnout, Leere, Antriebslosigkeit (auch sexuell) und andere Erschöpfungsmerkmale sind nur einige Beispiele für Hilferufe, die unsere Körper uns schicken. Unser Körper, Geist und Energie brauchen auch das bewusste Ernten und Loslassen des Herbstes. Sie brauchen den Rückzug, die Stille und das Yin des Winters …in sich kehren, entschleunigen, um dann im Frühling wieder mit neuer Kraft austreiben zu können.

Mehr Yin – für eine erfülltere Sexualität

Unsere Tun-Vorstellung vom Leben übertragen wir auch oft auf unsere Sexualität. Auch hier stehen Schnelligkeit, Leistungsgedanke, Erwartungen, Tun, wilde Leidenschaft und die Jagd nach dem Sommer (sprich Orgasmus) oft im Vordergrund. Und auch hier ignorieren wir Frauen oft unser angeborenes, natürliches Wissen um die Wichtigkeit und Schönheit aller Jahreszeiten, Yin & Yang.

Wir passen uns einer Sexualität an, die die Natur der Frau und der weiblichen Energie meist nicht genug berücksichtigt. Wir sehen diese Sexualität in Hollywood und Filmen für Erwachsene, nirgendwo aber finden wir Inspiration und Vorbilder für eine Sexualität, die unsere weibliche Energie mehr berücksichtigt und ehrt. Ein Grund warum es häufig Frauen sind, die die Lust auf Sex verlieren. Und häufig ist es nicht die Lust auf Sex an sich, sondern auf die Art und Weise, wie wir „gewöhnlichen Sex“ haben. Diese fühlt sich langfristig für unseren Frauenkörper nicht stimmig an, sie passt nicht zu unserer weiblichen Energie und unseren Bedürfnissen, weshalb wir „Mainstream-Sex“ nicht immer genießen können und oftmals anfangen ihn zu vermeiden. Ich habe meinen Weg in eine erfülltere Sexualität im Tantra gefunden. Eine Lebensphilosophie und Weisheiten, die männliche und weibliche Energien und Besonderheiten berücksichtigt und damit eine Sexualität ermöglicht, die beide Partner erfüllt.

Unser FrauSein anerkennen, unsere Weiblichkeit neu erspüren

Tief in uns sehnen wir uns nach mehr Yin – Männer wie Frauen. Unser Zyklus lehrt uns Frauen die Weisheit von Yin & Yang Monat für Monat direkt in unseren Körpern. Aktiv und passiv. Umsetzen und Sein. Geben und Empfangen. Aktion und Ruhe. Tatendrang und Rückzug.

Wenn wir das als Frauen verstehen und verkörpern, wenn wir unser FrauSein, unser „anders Sein“ anerkennen anstatt zu ignorieren. Wenn wir erkennen, dass wir Wesen mit Zyklus sind anstatt versuchen wie Wesen ohne Zyklus und Maschinen durchs Leben zu gehen, …dann – ich bin mir ganz sicher – darf Heilung geschehen. Für Frauen und für Männer.

Unser Zyklus ist eine Einladung an uns, sich tief mit unserer Wahrheit, Natur und unserem FrauSein zu verbinden. Wenn wir beginnen unseren Zyklus zu ehren, bringt das oft ein tieferes Verständnis, eine tiefe Akzeptanz und Liebe für uns, unseren Körper und unsere Herausforderungen mit sich. Wir fühlen uns „komplett“ und vollständig, wir kommen in unsere Kraft, wir kommen „nach Hause“. Unser Zyklus kann ein Schlüssel zu unserer körperlichen, mentalen, emotionalen, energetischen und sexuellen Gesundheit sein.

Erkenne dein FrauSein an. Du bist Frau. Du bist Natur.

Yin und Yang dürfen ins Gleichgewicht kommen.

Ich möchte euch inspirieren, dieses Geschenk, diese Magie wahrzunehmen und anzuerkennen. Ich möchte euch inspirieren euer FrauSein wieder zu entdecken. Ich möchte euch inspirieren, die Weisheit unseres Zyklus wieder zu entdecken, denn wir tragen sie alle in uns.

Und ich möchte euch inspirieren euer FrauSein neu zu spüren.

In Liebe,

Eure Steph